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Stadt st.gallische Metzgertradition

Das 150-jährige Metzger-Jubiläum ist Anlass zur vorliegenden Festschrift.

Wenn wir die Vergangenheit des Metzgergewerbes betrachten, dann stellen wir uns unwillkürlich die Frage: «Warum wurde dies und jenes wohl auf diese Art und Weise gelöst und nicht anders?» Und wir erkennen, dass die Geschichte des Metzgerhand­werks auch die Geschichte der Stadt St.Gallen ist.

Aus der Frühzeit des Metzgerhandwerks


Der Metzger gehört so gut wie der Jäger, Fischer und Bauer zu den ältesten Berufsständen der Menschheit. Unsere Vorfahren erlegten das Wild, um sich zu ernähren und übten bei der Verarbeitung des Fleisches den Metzgerberuf aus.

Im Alten Testament lesen wir von den Schlachtopfern (meist Lämmer), die Gott zum Dank oder zur Sühne dargebracht wurden. Man opferte Gott nur das Beste, und Fleischnahrung galt nebst den pflanzlichen Gütern bei allen Urvölkern als eine Le­bensnotwendigkeit.

Als die wilden Tiere zu Haustieren gezähmt und auf den Höfen gehalten wurden, war es der sesshaft gewordene Bauer, der für seinen Bedarf Tiere schlach­tete und so ebenfalls den Metzgerberuf ausübte.

Erst im Mittelalter begann sich, vor allem in den Städten, der Metzgerberuf von der allgemeinen Selbstversorgung zu lösen und zu einem eigenen Berufsstand zu entwickeln. Der Viehzüchter lieferte ihm das lebende Tier, welches der Metzger schlach­tete, zu Fleisch und Würsten verarbeitete und an die Kundschaft verkaufte.

Mönch als Klostermetzger (Bilderhandschrift 14. Jahrhundert)
Mönch als Klostermetzger (Bilderhandschrift 14. Jahrhundert)

Das Zeitalter der Zünfte

Die st.gallische Metzgertradition ist bedeutend älter als die Stadtrepublik St.Gallen. Diese geht auf das Jahr 1457 zurück, als sich die Stadt von der Kloster­herrschaft freimachte.

Bereits um 1354 schlossen sich die Handwerksmei­ster der Stadt zusammen und führten mit Genehmi­gung des Abtes die Zunjtverfassung ein, die für die sechs Zünfte verbindlich war. Zu diesen gehörte auch die Metzgerzunft.

Die Zunftverfassung brachte der Bürgerschaft und den Handwerkschaffenden mehr Mitspracherecht und Selbstbestimmung. Die selbständig gewordene Stadtrepublik erweiterte die Rechte der Zünfte und der Kaufleute, und so blieb es bis 1798, als das Ge­füge der Alten Eidgenossenschaft zusammenbrach.

In wirtschaftlichen Belangen waren die Zünfte be­sorgt für das Sicherstellen von Lebensmitteln für die Bevölkerung. Man erliess Satzungen für den Metzgerberuf; darin findet sich die Regelung des Vieheinkaufs, des Tierschutzes, des Schlachtab­laufs, der Hygiene, der Fleischschau, der Schatzung und der Fleischpreise.

Die wirtschaftliche Ordnung von damals tendierte auf ein Auskommen für alle in der Stadtgemeinschaft, auf die Verhütung des Über­vorteilens und die Ausschaltung unzünftischer Kon­kurrenz (von ausserhalb der Stadttore). Durch die Institutionen der Schauer und Schätzer wurde die Warenqualität gewährleistet. Auch die gewerbepolitischen Vorschriften über Hygiene, Mass und Ge­wicht dienten sowohl dem Metzger als auch seinen Kunden.

Die Behörden schützten die Rechte der Handwerker, aber sie sorgten auch dafür, dass der Ge­schützte seinen Pflichten gegenüber der Allgemein­heit nachkam. Neben dem Burgereid wurden die Handwerker eidlich auf die ihnen gegebenen Sat­zungen verpflichtet. Zunft und Stadt waren mitein­ander verbunden und voneinander abhängig.

Die alte Metzg am Rindermarkt

Sie stand am untern Ende des Marktplatzes gegen den Bohl beim Irertor. An ihrer Stelle steht heute der Marktpavillon. Westlich der Metzg erhob sich das Kornhaus, dazwischen plätscherte der Marktbrun­nen, und der durchfliessende Irabach konnte zum Reinigen des Schlachthofes und zum Waschen der Kutteln und Därme benützt werden.

Hier im Zentrum der Stadt, geschützt durch die Stadtmauern und den grossen Wassergraben, stan­den Rathaus, Kornhaus und Metzg nahe beieinan­der. Dies versinnbildet auch die politische und wirt­schaftliche Verflechtung. Die Sicherung der Lebens­mittelversorgung spielte eine zentrale Rolle, abgesehen vom Einfluss der Zünfte auf die Politik.

Die Metzg ist 1475 durch die Stadt neu erbaut worden, war also schon damals ein öffentlicher Schlachthof. Es handelte sich um einen Riegelbau. Die Halle im Erdgeschoss war von der Ostseite her durch zwei mächtige Rundbogentore öffentlich zu­gänglich. Darüber befand sich ein grosser Saal, wo Feste, Versammlungen und gelegentlich Theater­aufführungen stattfanden, wo aber auch Kürschner und Hutmacher ihre Waren feilboten. In diesem Hause wurde fast 400 Jahre lang geschlachtet, nachdem bereits 100 Jahre früher, fast am selben Ort, die erste Stadtmetzg errichtet worden war.

Unter amtlicher Kontrolle verkauften die Metzger das frische Fleisch, und als schliesslich 41 Fleisch­bänke im Haus standen, da war wohl der letzte Win­kel ausgenützt. Zum Teil waren diese Fleischbänke in der nach vorne offenen Laube an der nördlichen Längsseite der Metzg untergebracht. Die Schlacht­wellen und auch die Fleischbänke konnten auf die Nachkommen vererbt werden. Beim Fehlen eines Nachfolgers wurden sie verkauft, und weil keine Fleischbänke mehr errichtet werden durften, stie­gen die Verkaufspreise von Jahr zu Jahr. Man be­zahlte schon damals einen eigentlichen «Goodwill»­ Preis. «Eine solche Fleischbank gilt gegenwärtig 1600 bis 1800 Gulden, obwohl sie im Grunde keine 50 Gulden inneren Wert hat», heisst es in der Chronik. Die Einrichtung war bescheiden, ein Haustock, ein kleiner Tisch mit Waage und ein Balken zum Aufhängen des Fleisches.

Mit der Zeit war die Metzg für das Schlachten und den Fleischverkauf zu eng geworden. Aus allen Un­terlagen aber geht hervor, dass die Metzgerschaft jeden Vorstoss ihrer Mitglieder gegen Ordnung und Reinlichkeit streng bestrafte. Sonst wäre das Schlachten und der Fleischverkauf unter einem Dach auf so engem Raum ganz undenkbar gewesen. Trotz aller Selbstdisziplin muss die Metzg im Laufe der Jahrhunderte zum öffentlichen Ärgernis geworden sein. Vor allem die Schlachtabfälle verursachten üble Gerüche und lockten Scharen von Ratten herbei.

1858 bis 1860 wurde an der Brühlbleiche ein neues Schlachthaus erstellt. Die Bürger mögen aufgeatmet haben, als die alte Metzg im Jahre 1865 endlich abgebrochen wurde.

Holzschnitt aus dem Ständebuch von 1568
Holzschnitt aus dem Ständebuch von 1568

Zur Geschichte der Schlachthäuser

Bevor der erste städtische Schlachthof gebaut wurde, gab es seit Jahrhunderten die Klostermetzg, die für die Fleischnahrung der Mönche, Studenten und Gäste aufkam. Das erste städtische Schlacht­ haus war die Alte Metzg beim Rindermarkt in der Stadtmitte. Nicht durch jedes Stadttor durfte das Schlachtvieh zum Schlachthaus geführt werden. Man benützte hierfür das Metzgertor und die Metz­gergass, und schon war man bei der Alten Metzg.

Dieses erste städtische Schlachthaus wurde 1475 ab­gebrochen und durch ein zweites ersetzt. Weil aus hygienischen Gründen sein Standort immer mehr ein Stein des Anstosses war, wurde es 1865 beseitigt.

Als Standort für das dritte Schlachthaus wählte man ausserhalb der alten Stadtmauer die Brüelbleiche an der Steinach, etwa anstelle des heutigen Volksbades.

Doch nur zu rasch setzte vor hundert Jahren eine noch nie dagewesene Bautätigkeit ein. Die Stadt wuchs weit über die Mauern hinaus, und schon 1895 musste, aus Platzgründen noch weiter draussen im Schellenacker, der vierte städtische Schlachthof er­ stellt werden. Dieser diente bis 1976, da in Winkeln, auf der entgegengesetzten Stadtseite, der modern eingerichtete heutige Schlachthof in Betrieb genom­men werden konnte.

Der Schlüssel zur alten Metzg, wie das Schlacht­haus beim Rindermarkt noch genannt wurde, war beim Obmann der Metzgermeisterschaft hinterlegt. Das tägliche Aufmachen und Schliessen aber war Sache der Kuttler, die morgens zur Schlachtung die ersten sein mussten. Als der städtische Gemeinde­rat 1856 die Frist festlegte für die Beseitigung der al­ten Metzg und deren Dislozierung nach der Brüel­bleiche, trat der Obmann der Metzgergilde zurück. Die Meister opponierten anfänglich gegen die For­derung und verlangten zumindest eine finanzielle Abgeltung.

Als erster Verwalter des neuen Schlachthauses im Brüel, und zugleich als Beschliesser, wurde Jo­achim Kreis gewählt, der zusammen mit seinem Knecht für die innere und äussere Ordnung, für Reinlichkeit und Trockenheit, für das Richten des Brühwassers, für Keller, Brunnen und Stallungen, sowie für das Pfaden im Winter verantwortlich war. In der Metzg wurde ein Aufzug zum Aufhängen der Schlachttiere eingerichtet und beim Schlachthaus­eingang eine Gaslampe erstellt.

Die ältesten Metzgerbücher

Gleich nach der napoleonischen Mediationsverfas­sung von 1803 organisierten sich die Meister der frü­heren Zünfte zu sogenannten Meisterschaften. Es waren dies die Vorläufer der späteren Berufsver­bände.

Das erste Meisterschaftsprotokoll der Metzgerhandwerker ist wie folgt betitelt:

«Hauptbuch der Metzgerhandwerker, auch der Ge­setze wie auch das Verzeichnis der Namen von Her­ren und Meistern, wie auch Knechten und Lehrjungen 1804 in St.Gallen.»

Sprach man in den vorausgehenden Jahren der Hel­vetik nur noch von Brüdern und Genossen, so nun bereits wieder von Herren und Meistern, von Knechten und Lehrjungen. Man griff zurück zur alten Ordnung, immerhin nicht mehr in der aristokra­tischen Form wie vor der Revolution. Die Verord­nung von 1810 beginnt wie folgt:

Den 20. November ist von der löblichen Meister­schaft, um Liebe, Eintracht und Ordnung in unserem Handwerk zu finden und zuhand zu haben, fol­gendes anerkannt und beschlossen worden;

  • dass zu allen Zeiten ohne Widerrede das Mehr soll anerkannt und gültig sein,
  • dass sich die Kuhmetzger verpflichten, zu keinen Zeiten Ochsen zu schlachten. Die Kälber sind den Kalbermetzgern, Kälbli und Galtlinge den Kuh­metzgern, die Schweine den Schweinemetzgern und die Schafe den Schafmetzgern vorbehalten.

Weitere Punkte betreffen die Kuttler (Schlächter), das Bussenwesen, die Versammlungen, die Kommission, das Beilegen von Streitigkeiten, die Erlan­gung des Meisterrechts und die Reinlichkeit.
Alle Jahre bei der grossen Versammlung der Mei­sterschaft sollen die Gesetze zur Erinnerung des Verhaltens vorgelesen werden.
Das zweite Protokoll umfasst die Zeit bis 1832 und ist betitelt: «Protokoll der löblichen Metzgermeister­schaft der Stadt St. Gallen.» Geschrieben sind die meisten Protokolle in schöner, leserlicher Art vom schriftkundigen Handwerkschreiber Caspar Wild.
Der Titel des dritten Protokolls ist im Faksimile wiedergegeben. Es reicht bis zum Jahre 1863.
Das vierte und fünfte Protokoll befassen sich mit den Jahren 1864 bis 1905. Ausserdem existiert das Handwerksbuch der Metzgermeisterschaft aus den Jahren 1832 bis 1868, das, teils in kaligraphischer Zierschrift, die Verzeichnisse der Meisterschafts­vorsteher (früher Zunftmeister), der Mitmeister und Lehrknaben enthält.

Die Bücher sind mit einer Ausnahme in Halbleder gebunden und im Grossoktavformat gehalten. Weil in Schubern versorgt, sind die Protokolle auch nach 150 Jahren noch in bestem Zustande.

Dies und das aus den alten Protokollen

Die permanente Metzgerkommission kommt alle zwei Wochen zusammen, um zu beratschlagen und über vorfallende Geschäfte zu berichten.

Meister sind jene Metzger, die ihren Beruf auf eigene Rechung betreiben.

Wer nicht schon sechzig Jahre alt ist und in ein Amt gewählt wird, ist dazu für eine Amtsdauer von zwei Jahren verpflichtet.

Wer zur Hauptversammlung mehr als eine Viertel­stunde zu spät kommt, zahlt 6 kr. in die Metzgerkasse, und wer gar nicht kommt, zahlt 15 kr. in die­ selbe.

Der Herbergvater hat durchreisende Metzgergesellen für eine Nacht zu beherbergen.

Der Bussner (Kassier) wird angehalten, die Beiträge und Bussgelder mit der Geldbüchse einzusammeln und kein schlechtes, verrufenes und ungangbares Münzgeld mehr entgegenzunehmen.

Spitalherr Steinlin beklagt sich bei den Metzgern wegen des allzu kleinen Trinkgeldes an den Partner für das Öffnen und Schliessen des Tores und an den Stallmeister für die Besorgung des Stalles.

Es wird gegen jene Metzger eingeschritten, die klei­nere Würste (Stümpeli) an die Bier- und Schenkwirte verkaufen.

Die Kuttler (Schlächter) dürfen die Tiermägen be­halten, zu Kutteln verarbeiten und verkaufen.

Metzger Vonwiller wird gebüsst, weil er als Kuh­metzger einen Ochsen geschlachtet und dessen Fleisch als Kuhfleisch verkauft hat.

Desgleichen wird ein Handlanger gebüsst, weil er ein Trinkgeld für sich behalten statt dem Meister ab­gegeben hat.

Es wird geklagt, der amtliche Fleischpreisschätzer schätze oftmals zu tief. Bei einem Galtling wird eine Expertise gemacht und dem Kläger Recht gegeben.

Ein Lästermaul wird bestraft wegen übler Nach­rede, Roheit und Charakterlosigkeit. Schlechtbe­leumdete Metzgerknechte und Gesellen werden nicht zum Meisterstand zugelassen.

Den Kuttlerknechten wird strikte verboten, für das Treiben der Schlachttiere Hetzhunde zu gebrau­chen.

Gegen Tierquälerei wird immer wieder vehement eingeschritten.

Dem «Baptistli» aus Appenzell, viele Jahre bei Valentin Scheftlin angestellt, wird polizeilich verbo­ten, in der Stadt Fleisch und Würste zu verkaufen.

Die Ein- und Ausgaben der Metzgerkasse belaufen sich jährlich fast immer auf etwa 200 fl.. Bei den Ein nahmen machen die Meisterrechtsgebühren, die Lehrgelder und die Bussgelder, bei den Ausgaben der Herbergszins, das jährliche Nachtessen und das Rattenvertreiben die grössten Beträge aus.

1837 fassen die Metzger den Beschluss, bei Abhal­tung des Eidgenössischen Schützenfestes in St. Gal­len eine Ehrengabe von 100 Schweizerfranken zu stiften.

Die Korrespondenzen werden jeweils auch vom Obmann der Metzgermeisterschaft unterzeichnet.

Wie setzte sich 1832 die Kommission zusammen?

Obmann: Kaspar Wild, Ochsenmetzger
Schreiber: Anton Scheitlin, Kalbermetzger

Bussner:
David Erpf, Ochsenmetzger
Heinrich Scheitlin, Schweinemetzger
Hektor Vonwiller, Kuhmetzger
Johannes Engwiler, Schweinemetzger
Konrad Dürler, Ochsenmetzger
Johann Georg Tobler, Kalbermetzger
Johann Ulrich Tobler, Schweinemetzger

Lehrlingsmeister: Johann Jakob Rietmann zum Roten Haus

Die Anfänge des Metzgermeistervereins

Zunehmend erliess die Stadtregierung Reglemente zur Aufrechterhaltung der Ordnung, oft zum Nut­zen, aber noch mehr zum Ärger der Gewerbeleute. «Von allen Berufsständen geben uns die Metzger am meisten zu schaffen», so liest man. «Nur widerwillig fügen sie sich den Verordnungen des Rates.»

Aus allem geht hervor, dass es schon immer Tüchtige und weniger Fähige, Wohlhabende und Arme, Ehrliche und Profiteure, Saubere und Schmutzfinken, Verantwortungsbewusste und Renitente, Tier­schützer und Schänder, Loyale und Aussenseiter gab. Erlasse, Gebote, Vorschriften, verhängte Bus­sen, Ausschlüsse zeugen vom immerwährenden Kampf gegen menschliche Schwächen, Gesetzes­verstösse, Missgunst und Neid. Aber zu allen Zeiten verstanden es vorausblickende, vorausdenkende und fähige Berufsleute, die notwendige Ordnung im Gemeinwesen zu erhalten.

Nach der straffen Zunftordnung der vergangenen Jahrhunderte wurde 1798, als Folge der französi­schen und helvetischen Revolution, die Handels-­ und Gewerbefreiheit ausgerufen. Um den ruinösen Konkurrenzkampf einzudämmen, musste wieder eine gemeinsame Plattform gefunden werden. Es galt das gemeinsame Wohl zu erhalten und zu för­dern.

In den Jahren 1852 bis 1856 schlossen sich die be­reits in der Metzgermeisterschaft organisierten Metzger zusammen und gründeten die Genossen­schaft «Metzgermeisterverein St. Gallen und Umge­bung». Zweck und Ziel des Zusammenschlusses wurden auf einen Nenner gebracht. Es hiess schlicht und einfach: «Zum Wohle der st. gallischen Metzgerschaft»

Das notwendige Kapital wurde geäufnet durch einen Jahresbeitrag und durch das Zeichnen von An­teilscheinen, ohne persönliche Haftung des Genossenschafters, ausser mit seinem gezeichneten Kapi­tal. Mit seinem Beitritt erwarb sich das Mitglied nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Solida­rität, Anstand und Loyalität gehörten von allem An­fang an zum moralischen Grundkapital der Vereinigung.

Aus früheren Meisterverzeichnissen

In der noch erhaltenen prachtvollen Zunftscheibe der Metzgermeister der Stadt St. Gallen aus dem Jahre 1546 sind von den 30 Meistern 8 mit dem Fami­liennamen Appenzeller, 7 Riner, 5 Dobler (Tobler) und 1 Alther.

Wie aus späteren Verzeichnissen hervorgeht, ist die Tradition der einzelnen Metzg-Betriebe sehr unter­ schiedlich. Geschlechter erloschen, weil ein männ­licher Nachkomme fehlte, andere blühten auf. Nur wenige Meisternamen der Metzgerzunft konnten sich halten bis in die Gegenwart.

Ein Verzeichnis von 1804 enthält über 60 Metzger, darunter je 9 mit Namen Rietmann und Tobler, je 5 Glinz und Wild, je 4 Alther, Scheitlin und Steinmann, 3 Vonwiller und je 2 Hertli und Kauter.

Das Adressbuch der Stadt St. Gallen weist im Jahre 1861 noch 46 Meister auf, wobei die Namen Riet­mann, Scheitlin und Wild 5 mal, Tobler 4 mal, Glinz 3 mal und Erpf 2 mal vorkommen.

Der ganze Kanton verzeichnete damals 138 Metzgermeister, davon Altstätten 14, Wil 7, Rapperswil 6, Flums, Grabs, Lichtensteig, Oberriet und Rorschach je 4, Kirchberg, Ebnat, Gossau, Oberuzwil, Bad Ra­gaz, St. Margrethen und Schänis je 3.

Das Adressbuch von 1880 zählt 54 städtische Mei­ster, und nur noch die Geschlechter Scheitlin und Wild mit 3, sowie Glinz, Rietmann und Tobler mit 2, weisen mehr als einen Meister auf.

Waren es zu Beginn des letzten Jahrhunderts noch fast ausschliesslich Stadtbürger, mehren sich gegen das Jahrhundertende die Zugezogenen und Neu­bürger. Darunter sind viele ehemalige Lehrjungen und Metzgerknechte, die aufgrund ihres guten Verhaltens und ihrer Tüchtigkeit als Meister würdig befunden wurden.

Metzgerknechte und Lehrjungen

Von den Lehrjungen und Gesellen der verschiede­nen Handwerksberufe waren es die Metzgerbur­schen, die der Stadt am meisten zu schaffen gaben. Die den Metzgerberuf ergriffen, waren von Natur aus keine zimperlichen Leute und tobten sich, wenn sie nicht unter Aufsicht standen, gerne aus. Und so nutzten sie ihre überschüssigen Kräfte nicht immer sinnvoll. Vor allem jenen, die Blut wie Wasser trinken konnten, stieg nur zu rasch die Hitze in den Kopf. Öfters gab es Schlägereien. Es gingen Klagen ein, dass die Metzgerlehrlinge nachts herum­schwärmten, pfiffen und lärmten. So wurde ihnen auf eingegangene Klagen hin das nächtliche Johlen und Zäuerlen streng untersagt.

Im Übermut warfen sie unappetitliche Schlachtab­fälle auf die Hausdächer, belästigten Stadtbewoh­ner, hetzten die Metzgerhunde auf vorübergehende Stadtbewohner und läuteten an den Hausglocken. Manch einem Lehrjungen, der es zu bunt trieb, wurde mit Entlassung gedroht, wenn nicht gar der Laufpass gegeben. Doch dürfen wir annehmen, dass sich der Grossteil der Metzgerburschen an die gestellten Forderungen hielt. Sowohl die Stadtver­waltung wie die Metzgermeisterschaft legten Wert auf straffe Disziplin.

Die Lehrjungen gaben dem Meister, der sie in Kost und Logis hielt, ein Lehrgeld sowie einen Beitrag in die Metzgerkasse. Ein Auswärtiger aus Winterthur zahlte seinem Meister Valentin Scheitlin für 1½ Jahre 26 Louis d'Or, die Hälfte beim Stellenantritt und die andere Hälfte am Schluss der Lehrzeit. Nebst dem zahlte er noch einen Beitrag von 3 fl. in die Metzgerkasse. Von einem einheimischen Lehr­jungen wurden meist nur 10 Louis d'Or verlangt. Durchreisende Metzgergesellen erhielten nach al­ter Übung ein Zehrgeld von 12 kr. aus der Metzger­kasse.

Die Metzgerbeerdigung

Im St. Mangenquartier fallen mehrere Häuser ei­nem Grossbrand zum Opfer. Unter den acht Toten befindet sich ein Metzger. Die Meister sind aufgefordert, den «Seligen» in schwarzer Kleidung und mit Trauermantel zum Grab zu geleiten. Nichterschei­nen wird mit 30 kr. gebüsst.

Anlässlich einer Meisterbeerdigung um 1850 wird beschlossen, nur noch in schwarzer Kleidung zur Beerdigung zu erscheinen und auf den Trauerman­tel inskünftig zu verzichten.

Metzger als Postboten

Es gab St. Galler Metzger, die allwöchentlich auf Märkten in Konstanz, Friedrichshafen, Lindau, ja sogar in Ulm, Stuttgart und Augsburg ihre Viehein­käufe machten. Das führte dazu, dass sie gerade auch den Postdienst zwischen St. Gallen und diesen Städten ausführten. Ob dabei wohl nie etwas drun­ter und drüber gegangen ist?

Die Stadtplage mit den Ratten

Immer wieder taucht das Problem mit der Ratten­plage auf. 1827 verlangt ein Rattenvertreiber für seine Arbeit, die ihn während Wochen in Anspruch nimmt, hundert Gulden. Weil dieser Betrag das Bud­get übersteigt, wird jeder Metzgermeister dazu verpflichtet, wöchentlich einen Beitrag von 6 kr. zu ent­richten, um die geforderte Summe aufzubringen. Die Rattenplage in der Stadt St. Gallen macht sich vor allem bei den Metzgern im Schlachthof, in den Schächten und Kellern sowie im «Hecht» und im «Rössli» bemerkbar.

Als die Ratten wieder einmal massenhaft auftreten, anerbietet sich ein Mann aus Wittenbach, die Tiere zu vertreiben. Weil er aber für seine Arbeit zuviel heuschen will, verzichten die Metzger auf sein Angebot und versuchen, sich selber gegen die uner­wünschten Viecher zu wehren.

1830 wird schliesslich ein Meister im Fach, der Rat­tenvertreiber Hasler aus Altstätten, angedungen, der es fertig bringt, den Ratten den Garaus zu machen. Drei Jahre später wird Hasler erneut zu Hilfe gerufen. Wie er die Ratten vertrieben hat, steht aller­ dings nirgends geschrieben. Er muss seine Methode geheim gehalten haben.

Das obligate Nachtessen der Metzger

Das obligate Nachtessen der Metzger
Das obligate Nachtessen der Metzger

Die Hauptversammlung der Metzgermeister, die zu­ meist im Januar stattfand, war in der Regel vollzäh­lig besucht. Fehlende wurden nämlich gebüsst, wenn sie keine stichhaltige Entschuldigung vor­bringen konnten. Die Bussen wie auch die Jahres­beiträge wurden vom Bussner eingezogen. Die Ver­sammlung wurde meistens im «Falken» oder im «Goldenen Schäfli» abgehalten. Beginn abends sechs Uhr. In der Metzgerherberge wurde der Znacht vorbereitet und nach den Verhandlungen herübergetragen. Jeder Meister erhielt zulasten der Metzgerkasse eine Gerstensuppe, Schüblig mit Sau­erkraut, eine geräucherte dreiviertelpfündige Wurst, eine kalte Pastete, Grünsalat, 1 Mass Wein (= 1 ½ Liter) und zwei Brötli. Was er nicht essen mochte, konnte er der Familie heimbringen.

Das Metzgernachtessen wurde zur beliebten Tradi­tion, und das eben genannte Menu blieb während Jahrzehnten dasselbe. Da ging wahrhaftig kein Mei­ster hungrig nach Hause.

Die Metzger und das übrige Gewerbe

Vom 16. bis 18. Jahrhundert zählte man in der Stadt St. Gallen, die damals noch keine zehntausend Einwohner zählte, über 600 verschiedene Berufsarten, Dienststellen und Ämter. Allein bei den Metzgern waren es die Ochsen-, Kuh-, Kalber-, Schweine- und Schafmetzger, dazu die Kuttler. Von Pferdemetz­gern, von Ross-, Hunde- und Katzenfleisch ist in den Protokollen nie die Rede, wohl aber hin und wieder von Wildpret und Gitzifleisch.

Die Fell- und Hauthändler verkauften die Tierhäute weiter an die Gerber und Pelzhändler. Die Seifensie­der und Kerzengiesser kauften von den Metzgern das Fett, die Darmhändler die Därme, aus denen u.a. Violinsaiten hergestellt wurden. Während die Hauthändler der Metzgerzunft angehörten, waren die Gerber der Schuhmacherzunft zugeteilt.

Weil Wurst und Brot zusammengehören, haben es die Metzger auch öfters mit den Bäckern zu tun, und die Wirte gehören naturgemäss zu ihren fleissig­sten Kunden. Wirtschaften zu Stadt und zu Land, die mit einer Metzgerei verbunden sind, führen meist den Ochsen, das Lamm (Schäfli), den Bär, den Hirsch, den Adler, den Falken oder das Schwert im Schild.

Altes Mass und Geld

Bis zur Mass- und Münzreform im vergangenen Jahrhundert wurde in der Schweiz mit alten Massen gerechnet, die bei älteren Leuten noch in guter Erinnerung sind. Die neuen Masse waren dem französischen Dezimalsystem angepasst.

Zentner (50 kg), Pfund (½ kg), und Lot (ca. 15 g) werden zum Teil heute noch angewandt, wie beim Längenmass Fuss (3 dm) oder Zoll (3 cm). Alte Vieh­händler verwenden das messingene Messketteli mit diesen alten Massen. Beim Flächenmass ist die Ju­charte (36 a) heute noch üblich.

In der Weinstube entsprachen vier Schoppen einem Mass. Das Mass entspricht 1½ 1.

Anlässlich der Münzreform von 1850 galt 1 Gulden (fL), ursprünglich eine Goldmünze, etwa dem Fran­kenwert von 2.20. Der heutige Geldwert betrüge an­ nähernd hundert Franken. Der Gulden entsprach dem Wert von 60 Kreuzern (kr.). Der Louis d'Or (französische Goldmünze) wurde damals gegen 25 Schweizerfranken eingetauscht und würde heute rund tausend Franken wert sein.

De Metzermeischter Süberli...

…ist seit Menschengedenken, wenn auch nicht für jeden Meister, ein Begriff in der Stadt St. Gallen. Und das nicht bloss bei Kindern. Bei keinem andern Beruf wird so viel Reinlichkeit und Appettitlichkeit vorausgesetzt wie beim Metzgerberuf, und die St. Galler Metzger hielten etwas darauf, wie aus allen Pro­tokollen hervorgeht.

Durch die alte Metzg am Rindermarkt floss der Ira­bach, in dem die Innereien ausgewaschen werden durften. Dagegen war es streng untersagt, den Brunnen hierfür zu benützen oder gar die Därme durch die Brunnenröhren zu spülen. Immer und im­mer wieder mussten gerade die Lehrjungen davor gewarnt werden, aus Bequemlichkeit den öffentli­chen Brunnen zu benützen. Abfälle wurden sofort beseitigt. Gelten, Fleischbretter, Blutkessel und an­deres Geschirr mussten gleich versorgt werden. Tiere durfte man nur auf den zugewiesenen Plätzen im Schlachthaus oder unter dem Vordach, aber nicht auf freier Strasse schlachten. An Sonn- und Feiertagen wurde nur in ganz dringenden Fällen, entweder in der Morgenfrühe oder abends nach dem Gottesdienst geschlachtet. Die Metzg musste jeden Tag nach Arbeitsschluss geräumt und sauber gereinigt werden. Die Metzgerhunde, die man vor allem wegen der Abfälle hielt, durften nicht im Schlachthaus übernachten oder sich nachts auf Gassen und Strassen aufhalten. Die Metzgerleute mussten immer sauber und reinlich gekleidet zur Arbeit erscheinen.

Alter Kinderspruch

Alter Kinderspruch

Chaufi Chriesi, han i Staa,
chauf i Fleisch ii, han i Baa.
Drum chauf i grad en Chottlebletz,
denn waass i, wa n i haa.

Gesellige Ausfahrten

Die Pflege der Geselligkeit lag besonders den Metzgersfrauen am Herzen. So brachten sie es fertig, dass von Zeit zu Zeit Pferdefahrten veranstaltet wurden, winters mit Schlitten und fröhlichem Geschell, sonst mit Kutschen und Gefährten. Im Januar 1899 gab es eine Rösslischlittenfahrt über Speicherschwendi nach Bühler, wo man tafelte und sich für die Weiterfahrt aufwärmte. In Teufen wurde im «Hecht» bei Gesang, Musik und Tanz gefestet, bis es um nachts 11 Uhr Zeit zum Aufbruch war. Im Juni selben Jahres fuhren die Metzgersleute bei sommerlichem Wetter mit 13 Kutschen und Breaks über Herisau nach Schönengrund. Und im Herbst unternahm man mit gleichviel Fuhrwerken eine Fahrt über Mörschwil, Rorschacherberg ins Buriet.

1902 lesen wir von einer Blueschtfahrt nach dem Schloss Hagenwil. Heimfahrt über Roggweil und Znacht in der «Krone» Kronbühl. Von einem Lied, das in der Metzgerrunde immer gern gesungen und im ganzen Textlaut im Protokoll festgehalten ist, sei hier die letzte Strophe angeführt:

Wohlan nach Väter Weise
geleert das Glas im Kreise!
Denn einmal lebt man nur
wie s Blümlein auf der Flur.

Soziales Engagement

Ab 1892 sind in den Büchern die jährlichen Neujahrsgeschenke im Betrage von 1200 bis 2000 Franken verzeichnet, welche die städtischen Metzgermeister an wohltätige Institutionen verteilten. Es wurden je 100 Franken vergabt ans Rettungscorps der Stadt, an die Schularmenkommission, an Kinder- und Mädchenheime, Kinderhort, Almosenstube, an verwahrloste Kinder, Gemütskranke, Krankenunterstützungs-Kasse, aber auch an die Damensamariter- und Frauenvereine. Denn schliesslich waren die Metzger auf die Gunst der Hausfrauen angewiesen.

Wia mached s denn...?

So beginnen die Strophen eines alten Volksliedes aus dem Kanton Bern, in dem die verschiedenen Berufe auf derb ironische Weise dargestellt werden. Da heisst es also:

Wiä mached s denn die Metzgerslüt?
Und eso mached sie s.
Sie chaufed billig Chüe und Säu,
verdiened drum au Gelt wiä Heu.
Und esoo, und esoo mached sie s.

Wie andere Handwerker waren auch die Metzger darauf bedacht, Geld zu verdienen und es auf einen grünen Zweig zu bringen. Der Gemeinderat rügt mehr als einmal die hohen Fleischpreise. Die St. Galler Metzger halten ihm entgegen, dass die Preise in andern Städten ebenso hoch, wenn nicht noch höher seien. Wenn sie das Schlachtvieh von Händlern und Bauern teuer einkaufen müssen, würden auch die Fleischpreise entsprechend hoch. Sie halten lieber auf gute Fleischqualität als auf möglichst billiges Fleisch, und hierin würden sie von keiner andern Schweizer Stadt übertroffen.

Vor rund 150 Jahren gab es zufolge einer Indiskretion, die ein gerichtliches Nachspiel hatte, ein peinliches Gerede in der Stadt. Kreisammann Egger in der Notkersegg bot den Metzgern in der Stadt seine schönen, fetten Ochsen an. Diese lehnten ab oder boten zu wenig an. Da schlachtete Egger die Ochsen selber und verkaufte das Fleisch zu wohlfeilen Preisen.

Gegen Winkelmetzger und Hausierer schritten die St. Galler Metzger immer mit aller Schärfe ein. Sie versprachen dem Polizisten sogar ein Trinkgeld, wenn er ihnen einen Fleischhausierer erwischen würde.

Schon im vergangenen Jahrhundert schwankten die Fleischpreise oft ganz beträchtlich. So kostete 1875 das Pfund Ochsenfleisch 75 Rappen, Kalbfleisch 90 Rappen, Schweinefleisch 80 Rappen, Schaffleisch 65 Rappen und die Bratwurst 70 Rappen. Allein bis Jahresende stiegen die Preise um gut 20%. Um die Jahrhundertwende liefen die ersten Bemühungen um den Sonntagsladenschluss, aber auch die Anstrengungen um die Vieheinfuhrsperre wegen der Maul- und Klauenseuche.

Von den Bratwürsten

Item die Bratwürst söllend sy machen von schwini­ nenn Braten, unnd darunder hacken gut Kalbelen unnd jung Ochsen mit Kalber-Zenen, unnd das am minsten um dry Pfening geschetzt sye, unnd namlich under acht Pfund Braten ain Pfund Speck tun unnd nit minder. Sy söllend och kain Nieren, Hertz noch Halsflaisch darin hacken. Sy söllend och kain Flaisch dartzu nemen, es sye denn vor geschetzt. Wenn sy aber zu Ziten, so sy des bedörffend, Kalbe­len- oder Ochsenflaisch mitt Kalber-Zenen nit fin­ den mögend, so sollend sy kain annder Flaisch, dann by der obristen Schatzung dartzu nemen, ze Buss an 5 Schilling von yedem Mal.

Doch den Schowern zugeben, ob weder Kalbelen­- noch Ochsenflaisch mit Kelber-Zenen vorhannden werend, unnd Flaisch vorhannden, das als gut in die Würst were, als Rindflaisch by der obristen Schat­ zung, das sy inen dasze hacken nachlassen mögend.

Sy sollen och dehain gesaltzen Term, noch Term die über dry Tag ald sind dartzu pruchen, noch Flaisch, das über dry Tag ald bis an den dritten Tag gehalten sey, ze Buss an 5 Schilling Denar von yedem Mal. Sy söllend och die Würst nit uss dem Wasser wegen, noch darin legen, an dieselben Buss.

Item es sol kain Wirt den Gesten kain Wurst zu essen geben, es habs dann in der Metzg gehacket und ge­machet. Was aber ainer in sim Hus selbs, mit sinem Gsind pruchen wil, es syend Wirt oder ander Lüt, mögenn sywol machen im Husoder wo sywöllenn.

Aus den Satzungen der Metzgerzunft der Stadt St.Gallen, 1438ff (Stadtarchiv, Vadiana, St.Gallen)
Aus den Satzungen der Metzgerzunft der Stadt St.Gallen, 1438ff (Stadtarchiv, Vadiana, St.Gallen)

Liebeserklärung an eine St. Gallerin

Bei deinem Anblick – wer will mich verdammen – regt sich ein heisser Appetit in mir und läuft das Wasser mir im Mund zusammen, so fasziniert und hin bin ich von Dir.

Dein Duft betört mich, knusprig-zartes Wesen, wie keiner sonst, der aus der Küche dringt, auch wenn die Zwiebel – weniger erlesen, dafür geröstet – mich zum Weinen bringt.

Du Braungebrannte, tu mir den Gefallen: Bleib weiter so und schenk dem, der dich liebt, noch viele kulinarisch frohe Stunden.!

O heissgrillierte Bratwurst aus Sankt Gallen, du wirst, solang es unverfälscht dich gibt, mir bis ans Ende meines Lebens munden!

Fridolin Tschudi, 1912–1966

Wer von den Lesern ist nicht auch verliebt in diese St. Gallerin?

Ohne die Metzger geht es nicht

Was wäre eine OLMA ohne die St. Galler Bratwürste? Was der St. Galler Jahrmarkt ohne die Wurst­stände? Vom St. Galler Kinderfest gar nicht zu reden, wo es droben auf dem Rosenberg über alle Plätze und Wiesen duftet nach feinen Bratwürsten. Wer zählt alle die herrlichen Spezialitäten der St. Galler Metzger vom Schüblig bis zum Schinkenlyoner?

Noch vor hundert Jahren sprangen die Buben in der Fasnacht mit den «Suublootere», die sie von den Metzgern bekamen, in den Gassen herum und schlugen sie den Mädchen um die Köpfe.

Vor der Reformation wurde nach der langen, streng eingehaltenen Fastenzeit ein riesiger bekränzter Osterochse unter dem Jubel der Bevölkerung durch die Gassen geführt, geschlachtet und am Spiess gebraten. Jedermann konnte sich gütlich tun daran.

Wurstschmäuse, Metzgeten, Hochzeiten und Unter­haltungen mit Tanz, ebenso Umzüge und derglei­chen, waren während der Advent- und Fastenzeit verpönt.

Der Tradition gemäss, wird in den alten St. Galler Familien immer noch eine Pastete gebacken, deren Ursprung auf einen sehr alten Brauch zurückzufüh­ren ist.Von einen anonymen Verfasser zitiere ich aus dem Jahre 1859:

Der Jahreswechsel in der Sylvesternacht wird mit dem Geläute sämtlicher Glocken der Stadtkirchen gefeiert. Eine Pastete am Sylvesterabend ist uralte Sitte in allen Klassen der Bevölkerung. Weil die Kin­der der unbemittelten Umgegend sich an diesem Abend Geld zu Schmausereien mit Singen verdien­ten, wurde er von altersher Singabend genannt. Die­ses Singen behufs Bettelei ist jetzt polizeilich verbo­ten!

Singobet- oder Burgerpastete

Geriebener Teig von: 625 g Mehl, 250 g Butter oder Schweinefett, 1 Ei, Salz, 1 Esslöffel Essig, ca. ½ Glas Wasser.

Füllung: 1¼ kg Kalbsvoressen (gemischt, mager und Brust), 500 g Kalbsbrät, 200 g Perl- oder kleine Zwie­beln, Salz, Pfeffer, Muskatnuss, 2 Esslöffel Kapern, 1 Glas Weisswein, Fleischbrühe, 1 Ei zum Bestreichen.

Den Teig tüchtig kneten und einige Stunden ruhen lassen. Eine tiefe Auflaufschüssel mit der Hälfte des Teiges auslegen, so dass der Teig noch ca. 3 cm über den Rand hängt. Das Fleisch mit den Gewürzen mi­schen und lagenweise mit zu Kugeln gedrehtem Kalbsbrät, Zwiebeln und Kapern in die Pastete fül­len. 1 Glas Weisswein und soviel Fleischbrühe auffüllen, dass 2/3 der Form mit Flüssigkeit bedeckt sind. Aus der zweiten Teighälfte einen dicken Dek­kel auswallen, über die Füllung legen, den Rand mit Eiweiss gut bepinseln und den überstehenden Teig der Form darüber schlagen. Mit der Gabel leicht an­ drücken. Den Teigdeckel nach Belieben mit Teigresten verzieren und mit Eigelb bestreichen. Im Ofen bei 170° auf der untersten Rille 2½ Stunden backen.

100-Jahr-Feier 1936 im Hotel Ekkehard, Reigen der Metzgerkinder
100-Jahr-Feier 1936 im Hotel Ekkehard, Reigen der Metzgerkinder

Die Entwicklung in den letzten 150 Jahren

Während Jahrzehnten bildete die Organisation der Schlachtungen und der Fleischverkauf in der Metzg am Rindermarkt die Haupttätigkeit der Metzgergenossenschaft. Dazu gehörte auch das Vermitteln von Schlachtvieh und das Festsetzen der Verkaufs­preise. Der Standort der Metzg auf dem heutigen Marktplatz, mitten in der Altstadt, war natürlich ein öffentliches Ärgernis, weshalb sich die «Commis­sion der Metzger» fast täglich mit Hygieneproblemen zu befassen hatte. Im Jahre 1860 wurde endlich ein neuer Schlachthof ausserhalb der Stadtmauern an der Steinach in Betrieb genommen, und 1865 konnte die gut vierhundert Jahre alte Metzg im Her­zen der Stadt abgebrochen werden.

Die Auflösung der bewährten Metzgerzunft und die Ausrufung der Gewerbefreiheit führte nach 1798 zu einer gewissen Disziplinlosigkeit und zu Qualitäts­verlust, weil ein jeder Bürger berechtigt war, das Metzgerhandwerk auszuüben.

In vielen Belangen erwies sich die Wirksamkeit der örtlichen Berufsverbände als zu begrenzt. So schlossen sich vor genau 100 Jahren, am 5. Juni 1887, die Metzger in Baden AG zum Verband Schweizer Metzgermeister «VSM» zusammen. Wie ein roter Faden ziehen sich die – laut Gründungsprotokoll – damals dringlichsten Fragen durch die gesamte Verbands­geschichte, nämlich:

  • die Herbeiführung einer einheitlichen, eidgenös­sischen Fleischschau,
  • die Wahrung der Metzgerinteressen in Schlachthoffragen,
  • die Ausbildung und das Lehrlingswesen,
  • die Weiterbildung und die Meisterprüfungen,
  • die Regelung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerproblemen.

Zufolge der ständig sich wandelnden Rahmenbedingungen sah sich jede Metzgergeneration wieder vor neue Aufgaben gestellt. Die Sorgen der heutigen Metzgergeneration beinhalten vorab die landwirt­schaftliche Überproduktion und deren Verwertung, dazu ein beispielloser Strukturwandel in der Fleischwirtschaft als Folge von Technik und Mobili­tät.

Ein Markstein in der Verbandsgeschichte der St. Galler Metzgerschaft bildet zweifellos der Kauf der Lie­genschaft beim «Hirschen» in St. Fiden im Jahre 1943. In der ehemaligen Brauerei wurde ein neuzeitliches Tiefkühlhaus eingerichtet. Dadurch konnte das sehr knappe Fleisch in den Kriegs- und Nach­kriegsjahren besser bewirtschaftet werden. Im Bü­rotrakt richtete sich unsere Verwaltung ein, nach­ dem die gemieteten Räumlichkeiten im Schlachthof zu eng geworden waren. Um die Jahrhundertwende hatten nämlich die St.Galler-Metzger einen Schlacht-Regiebetrieb auf die Beine gestellt, so dass nunmehr gemeinsam geschlachtet werden konnte. Um die Schlachtkosten zu decken, wurde ein ein­heitlicher kg-Tarif verrechnet. Die Genossenschaft beschäftigte damals ca. 50 Metzger und Arbeiter.

Im Jahre 1976 wurde unsere Genossenschaft re­strukturiert. Der neue Schlachthof in Winkeln wird durch die neu gegründete «Schlachtbetrieb St. Gal­len AG» geführt, eine Trägerschaft, an der das Metz­gergewerbe und die Fleischindustrie beteiligt sind. Sämtliche Schlachthof-Mitarbeiter wurden von der neuen Firma übernommen.

Seit 1976 hat unsere Genossenschaft die heutige Struktur. Wir verfügen über einen gesunden und straff geführten Geschäftsbetrieb. Unsere Liegen­schaft ist verkehrstechnisch bestens erschlossen. Die nachfolgend aufgeführte Infrastruktur steht so­ wohl der städtischen Metzgerschaft, als auch der ge­samten Region zur Verfügung:

  • Im Metzgercenter kann sich der Metzger mit Fleischwaren, Hilfsstoffen und Zusatzartikeln rasch und kostengünstig eindecken,
  • Zur Vermittlung von Schlachtvieh unterhalten wir einen leistungsfähigen Viehhandel.
  • Wir schlachten kostengünstig im neuen, leistungs­orientierten Schlachthof in Winkeln.
  • Durch unseren Transportbetrieb liefern wir das Fleisch in alle Betriebe der näheren Region,
  • Dank unserem eingespielten Fleischhandel ver­mitteln wir nicht nur Importfleisch, sondern auch hiesiges Schaffleisch, Gitzi, Wild, Kaninchen, Ge­flügel etc.,
  • In unserem modernisierten und auf Selbstbedie­nung organisierten Gefrier-Kühlhaus stellen wir bei einer Temperatur von -26° kleine und grosse Abteile gegen Miete zur Verfügung,
  • Durch die Übernahme gemeinsamer Lieferungen an der Olma, am Kinderfest und bei Spezialanlässen, ermöglichen wir allen Mitgliedern die Teil­nahme an solchen Lieferungen.

Die Geschäftsleitung sorgt für das Funktionieren dieser Dienstleistungen. Der erwirtschaftete Ge­winn wird im Sinne der Genossenschaft an die Mit­glieder zurückvergütet.

So wirkt unsere Genossenschaft auch heute noch – nach 150 Jahren – der modernen Zeit angepasst – «zum Wohle der Metzgerschaft von St. Gallen und Umgebung».

Vorstand Jubiläumsjahr 1936
Vorstand Jubiläumsjahr 1936

1976 – der neue Schlachthof in Winkeln

In den Jahren 1969/73 projektierte eine Experten-Kommission den neuen Schlachthof für eine Schlacht-Kapazität von 10 Mio kg, weil der im Jahre 1896 eröffnete alte Schlachthof dem Nationalstras­senbau weichen musste. Während der Bauzeit 1974/ 75 konnte auch die neue Technik des Fliessband­schlachtens integriert werden, was eine markante Leistungssteigerung versprach.

Der unaufhaltsame Strukturwandel in der schwei­zerischen Fleischwirtschaft nach 1945 führte am 19. März 1974 zur Gründung der «Schlachtbetrieb St. Gallen AG». Diese neue Trägerschaft löste am 1. Januar 1976 den Metzgermeister-Verein in der Füh­rung des neuen Schlachthofes ab.

Dank diesem weitsichtigen Entscheid halfen die grossen Fleisch-Produktionsbetriebe Verantwor­tung mittragen. Heute gilt der öffentliche Schlacht­hof der Stadt St. Gallen bezüglich Leistung, Kosten­struktur und Hygiene als führender Betrieb unseres Landes.

Die erfolgreiche Tätigkeit des Unternehmens wird dokumentiert durch die Kapazitätsverdoppelung auf 20 Mio kg in den Jahren 1982/84. 1986 wurde dieser Umsatz erreicht, und eine weitere Modernisierung der Anlage mit Verdoppelung der Kühlkapa­zität geplant.

In eindrücklicher Weise wird hier die nutzbrin­gende wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Industrie und Gewerbe praktiziert. Das erfolgreiche Konzept trägt auch zum korrekten Verhältnis zwi­schen Stadt und Unternehmen bei.

Um das statutarische Ziel, kostengünstig schlach­ten, zu erreichen, musste sich der Metzgermeister­ Verein St. Gallen von der veralteten Organisations­-Struktur lösen und vertritt nun die gewerbliche Gruppe innerhalb der neuen Firma.

So wird der neue Schlachthof zum eigentlichen Symbol für die st. gallische Metzgerschaft wie sie sich den ständig wechselnden wirtschaftlichen Ge­gebenheiten angepasst hat.

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